Datenbank Kinder- und Jugendliteraturforschung


Österreichische Kinder- und Jugendliteratur zwischen 1933 und 1945

Diese Datenbank entstand im Rahmen des Projekts "Angepasst, verdrängt, verfolgt.
Österreichische Kinder- und Jugendliteratur in den Jahren 1933 bis 1945. Karriereverläufe im Vergleich. Finanziert vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Jubiläumsfondsprojekt Nr. 13989) und wird laufend ergänzt.

Hinweise bitte an susanne.blumesberger@univie.ac.at

Liste

Vorname: Egmont

Familienname: Colerus

Andere Namensformen: Egmont Colerus von Geldern

Geburtsort: Linz

Geburtsdatum: 12.5.1888

Sterbeort: Wien

Sterbeland: Österreich

Todesdatum: 8.4.1939

Geschlecht: 1

Herkunft: Colerus stammt aus einer alten niederländischen Offiziersfamilie, die um 1750 aus Holland nach Österreich eingewandert war. Auch sein Vater Egmont Colerus von Geldern war nach Familientradition Berufsoffizier und entsprechend der jeweiligen Garnison des Vaters verbrachte Egmont Colerus die Volksschulzeit in Preßburg und die Gymnasialzeit in Krems an der Donau. Die Kindheit in Preßburg floss spaeter in seinen Roman Matthias Werner ein, die Kremser Gymnasialzeit in den Roman Weiße Magier.

Bildung: 1906 le

Lebenslauf: Im Mai 1912 begann er als Rechtspraktikant. In dieser Zeit lernte er Blanca Nagy (geboren 23. Oktober 1895 in Lemberg), die Tochter einer mit seinen Eltern befreundeten Offiziersfamilie, kennen, mit der er sich 1914 verlobte. Im selben Jahr wurde Colerus in den richterlichen Vorbereitungsdienst übernommen, legte aber die Richteramptsprüfung nicht ab, weil er 1915 zur Landsturmdienstleistung einberufen wurde und bis zum Ende des ersten Weltkriegs an einem Divisionsgericht diente. Am 24. November 1917 heirateten Blanca Nagy und Egmont Colerus. Während des ersten Weltkriegs erkrankte Colerus an Tropendysentrie, die aber erst 1919 erkannt wurde, als er um mehr als 30 kg abgemagert war. In dieser Zeit lebte Colerus von Privatstunden, die er Jus-Studenten gab. 1920 veröffentlichte Colerus seine ersten beiden Bücher Antarktis, das er bereits 1914 verfasst hatte, sowie Sodom, das er 1917 bis 1919 verfasst hatte. Als Colerus nach zwei Jahren wieder halbwegs arbeitsfähig war, trat er im Herbst 1921 hauptberuflich als Beamter ins österreichischen Bundesamt für Statistik, der heutigen Statistik Austria, ein. In dieser Zeit verfasste er weitere historische Romane, Sachbücher und auch Dramen. Seine Bücher schrieb er großteils in der Nacht, üblicherweise zwischen zehn Uhr und Mitternacht. 1930 wird seine Tochter Monica geboren; dieses Ereignis spiegelt sich in seinem Roman Maththias Werner im letzten Kapitel Das Gebet an der Wiege, das zugleich eine Vision des zweiten Weltkriegs beinhaltet. Ein von Dr. Walther Neugebauer geleiteter Kurs für höhere und statistische Mathematik, den er am Bundesamt für Statistik besuchte, erweckte in ihm die Liebe zur Mathematik. Um "die Abscheu vor der reinsten, fast möchte ich sagen, heiligsten aller Wissenschaften" zu bekämpfen, schrieb er seine populärwissenschaftlichen mathematischen Sachbücher "Vom Einmaleins zum Integral" und "Vom Punkt zur vierten Dimension", die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden und auch heute noch für den mathematisch interessierten Laien sehr lesenwert sind. 1938 ging er als Oberregierungsrat des Bundesamtes für Statistik in Pension. Im Mai 1938 stellte er einen Antrag um Aufnahme in die NSDAP, verwies dabei auf seine Tätigkeiten während der Verbotszeit 1933 bis 1938 und verwies dabei ganz besonders auf seinen Roman "Leibniz". Als Unterstützung des Antrages legte er eine siebenseitige Schrift mit dem Titel "Mein Lebensweg als Deutscher", datiert mit 11. April 1938 vor. Er gab darin unter anderem an, schon 1932 "bereits überzeugter weltanschaulicher Nationalsozialist" gewesen zu sein. Trotzdem wurde sein Ansuchen post mortem abgelehnt.  Am erfolgreichsten wren seine Bücher über Mathematik, die zahlreiche Auflagen erfuhren, wie "Vom Einmaleins zum Integral. Mathematik für Jedermann" (EA 1934) und "Vom Punkt zur vierten Dimension" (EA 1935). Die Bücher wurden an der Front ständig verlangt, der Verleger konnte aufgrund der Papierknapphei kaum sämtliche Wünsche befriedigen.Am Karsamstag, 8. April 1939 starb Egmont Colerus unerwartet an einem Herzinfarkt. Wenige Tage vor seinem Tod tauchte das Gerücht auf, dass wegen seines judenfreundlichen Buches Der dritte Weg eine Anzeige gegen ihn erstattet werden solle. Inwieweit er jedoch wirklich judenfreundlich eingestellt war, ist fraglich denn "er gab  in einem Lebenslauf aus dem Jahre 1938 etwa an, dass er als Beamter des Bundeskanzleramtes seine nationalsozialistischen Kameraden unterstütze, wo er nur konnte". (Amann, S. 31) Bereits 1942 wurde sein Manuskript !Einsame Hand" von der Abteilung Schrifttum abgelehnt: "Das oben angeführte Manuskript wird in der Anlage zurückgereicht. Die Novelle eignet sich nach dieseitiger Auffassung schon im Hinblick auf die Papierlage  nicht zur Veröffentlichung. Wenn auch die Bedeutung des Autors in der Weltliteratur nicht bestritten weerden solol, so muss dennoch gesagt werden, daß dieses vergleichsweise schwächeree Wek auf den heuigen Leser stellenweise durch seine Mischung von schwüler Liebesgeschichte und schariger Räuberromantik leicht lächerlich wirkt" (An die Abteilung Pro, z.Hd. Herrn Dr. Hofmann im Hause. Schreiben vom 10. August 1942, Ordner Colerus, zit. nach Hall 1994, S. 715) Die Neuauflagen vieler seiner anderen Werke, vor allem "Pythagoras bis Hilbert" war zum größten Teil der Wehrmacht vorbehalten.  

Werke:

Romane und Erzählungen
  • 1920 Antarktis
  • 1920 Sodom
  • 1921 Der dritte Weg
  • 1922 Weiße Magier
  • 1924 Wieder wandert Behemoth. Roman einer Spätzeit
  • 1924 Pythagoras
  • 1926 Zwei Welten. Ein Marco-Polo-Roman
  • 1927 Tiberius auf Capri
  • 1928 Die neue Rasse
  • 1929 Kaufherr und Krämer
  • 1932 Matthias Werner oder Die Zeitkrankheit
  • 1934 Leibniz
  • 1936 Geheimnis um Casanova
  • 1937 Von Pythagoras bis Hilbert: Die Epochen der Mathematik für Jedermann
  • 1939 Archimedes in Alexandrien
Dramen
  • 1927 Politik (1928 am Wiener Burgtheater uraufgeführt)
  • 1930 Tiberius und Sejan
  • 1935 Zweikampf (2. November 1935 am Bremer Schauspielhaus uraufgeführt)
Sachbücher:
  • 1934 Vom Einmaleins zum Integral
  • 1935 Vom Punkt zur vierten Dimension
  • 1937 Von Pythagoras bis Hilbert


Rezeptions, Auszeichnungen: Im Jahr 1960 wurde in Wien Donaustadt (22. Bezirk) die Colerusgasse nach ihm benannt. Colerus behandelte in seinen Romanen aus einer zutiefst humanistischen Weltsicht in impressionistischer, teilweise auch expressionistischer Art vielfältige Problemstellungen der Zwischenkriegszeit, teils in der Form von Zeitromanen, teils in historischer Einkleidung. Er zählte damit in der Zwischenkriegszeit zu den erfolgreichsten deutschen Schriftstellern (Gesamtauflage über 670.000 Stück), seine Werke wurde teilweise in bis zu zehn Sprachen übersetzt. In „Antarktis“ (1920), seinem ersten erfolgreichen Roman, siegt das Reich des Geistes über einen rein materiell ausgerichteten „Amerikanismus“, in „Sodom“ (ebenfalls 1920) prangert Colerus den Hedonismus an, der zum Untergang führt. „Der dritte Weg“ (1921) propagiert eine Rückkehr zur Natürlichkeit und zur Humanität. „Weiße Magier“ (1922) postuliert eine neue (und doch durchaus herkömmliche) Sexualethik. Hier ist Colerus für den heutigen Leser allerdings oft schwer nachvollziehbar, ja wirkt geradezu verschroben, so wie auch „Wieder wandert Behemoth. Roman einer Spätzeit“ (1924) nur zu deutlich die Schwächen seiner Zeit verrät und wohl psychologisch interessanten Aufschluss über die Wirren der 1920er-Jahre zu geben vermag, doch teilweise in seiner expressionistischen Übersteigerung kaum verständlich ist. Die durch die auftretenden Personen wie auch thematisch zusammengehörigen Romane „Die neue Rasse“ (1928) und „Kaufherr und Krämer“ (1929) schildern ein neu heraufkommendes Geschlecht, welches in innerer Freiheit aus den Traditionen der Vorkriegszeit auszubrechen vermag — wenngleich oft in dramatischen Kämpfen und tragischem Scheitern. In „Matthias Werner oder die Zeitkrankheit“ (1932) schließlich greift Colerus das Problem eines alle Werte zersetzenden Relativismus auf, und beleuchtet die Zeitströmungen der 1920er-Jahre — Militarismus, Pazifismus, Autorität, Psychoanalyse etc. — durchaus kritisch. Seine größten Erfolge hatte Colerus jedoch mit der romanhaften Gestaltung von Kulturgemälden vergangener Zeiten, die er oft um die Biographie bedeutender Persönlichkeiten aufbaute. Der Roman „Pythagoras“ (1924) entführt die Leser ins antike Griechenland, auch Colerus' letztes Werk, „Archimedes in Alexandrien“ (1939), stellt das Ringen eines griechischen Geisteshelden in den Mittelpunkt und bietet einen faszinierenden Einblick in die hellenistisch überformte Kultur der ägyptischen Ptolemäerzeit. Die dazwischen erschienene Novelle „Tiberius auf Capri“ (1927) behandelt das Problem einer schrankenlosen Willkürherrschaft und wirkt wie eine Vorahnung des heraufdämmernden Dritten Reichs. Der große Wurf gelang Egmont Colerus mit seinem Marco-Polo-Roman „Zwei Welten“ (1926) — stilistisch wohl eines seiner reifsten Werke. Die Leser erleben Marco Polos Jugend in Venedig, seine Reise in den Fernen Osten und seine Wiederkehr als scheinbarer Triumphator und erfolgreicher Handelsherr, hinter dessen sichtbarem Erfolg sich jedoch die Niederlage im persönlichen Bereich verbirgt. „Die eine Welt wird Tat, die andre Reue“, lässt Colerus zum Schluss seines Romanes den Dante Alighieri dem in Zweifel grübelnden Marco Polo zusprechen. Im Roman „Leibniz“ (1934) wird dieser große neuzeitliche Denker und Mathematiker als Symbol für die Möglichkeit der Überwindung deutscher, ja europäischer Zerrissenheit beschworen. Leichtergewichtig ist die Novelle „Geheimnis um Casanova“ (1936), die Giacomo Casanovas Verhaftung und Flucht aus den Bleikammern Venedigs schildert. Die international größten Erfolge erzielte Colerus aber mit seinen populär-wissenschaftlichen Sachbüchern „Vom Einmaleins zum Integral“ (1934), „Vom Punkt zur vierten Dimension“ (1935) und „Von Pythagoras bis Hilbert“ (1937). Daneben schrieb Colerus auch drei Dramen, von denen nur zwei — „Politik“ (1927) und „Zweikampf“ (1935) — aufgeführt wurden und die sich nur kurz auf den Spielplänen halten konnten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Egmont_Colerus Während des Krieges waren die Bücher von Colrus shr begeehrt, so schrieb Krl H. Bischoff, der den Zsolnay vrlag übrnommen hatte, am 11.11.1941 an das Reichsministerium für Volksuafklärung und Propaganda über das Werk "Vom Einmaleins zum Integral": "[...] Dieses Werk vonColerus wird wie übrigens auch alle anderen mathematischen Werke des verfasers von der Front ständig verlangt. Es handelt sich um eine besonders geschickte und geistvolle Einführung in die mathematischen Gesetze. Colerus besass hierfür eine einmalige und auch sehr schwer wiederholbare Begabung" (zitiert nach Hall 1994, S. 754)

Anmerkungen: Eine Anekdote über Egmont Colerus findet sich im letzten Kapitel von Friedrich Torbergs Die Tante Jolesch: Bei einem Schriftstellerempfang im Haus des Verlegers Paul Zsolnay tauchte die Frage auf, wie viele Juden es eigentlich gäbe. Nach einiger Diskussion einigte sich man auf 12 Millionen. Egmont Colerus schüttelte dazu den Kopf und kommentierte: Des is ausg'schlossen. Ich allein kenn mehr! Eine weitere Anekdote ist in "G'schichten um das Wiener Künstlerhaus" von Mirko Jelusich überliefert. Der Maler Hans Strohofer besuchte Colerus anlässlich der Geburt seiner Tochter Monika und stellte fest: "Jetzt heißt's Monika. Wenn s' dann Haar' kriegt, heißt s' Haar-Monika und wenn s' dann noch mehr Haar kriegt, heißt s' Viel-Haar-Monika." http://de.wikipedia.org/wiki/Egmont_Colerus 

Quellen: Amann, Klaus: Der Anschluß österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich. Instutionelle und bewußtseinsgeschichtliche Aspekte. Frankfurt am Main: Athenäum 1988. Colerus, Blanca: Egmont Colerus. Schriftsteller. Humanist. Mathematiker 1888-1939. Bearbeitet und ergänzt von Monica Skidelsky-Colerus. Linz: Universitätsverlag Rudolf Trauner 2006. Hall, Murray G.: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Tübinen: Max Niemeyer Verlag 1994

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